Mütter, die zwei Kaiserschnitte in ihrer Vorgeschichte erlebt haben, finden oftmals keine Klinik, die sie bei einer natürlichen Geburt begleitet.
Unter Netzwerk habe ich eine Liste erstellt, mit Kliniken, die Müttern nach zwei Kaiserschnitten bereits natürliche Geburten ermöglicht haben.
Warum Kliniken Mütter nach zwei Kaiserschnitten begleiten sollten
Hier meine wichtigsten Argumente:
Leitlinien
• Internationale Leitlinien sehen den Zustand nach zwei Kaiserschnitten NICHT als absolute Kontraindikation für eine natürliche Geburt (11,12,1).
Risiken und Chancen
• Viele Kliniken verabreichen Müttern nach vorherigem Kaiserschnitt Medikamente zur Geburtseinleitung und zur Wehenstimulation. Dabei ist bekannt, dass diese Medikamente das Risiko für eine Ruptur erhöhen. Es liegt laut einer im Jahr 2016 erschienenen, norwegischen Untersuchung im Rahmen von kombinierten Einleitungsversuchen (Prostaglandin plus Oxytocingabe) bei 3,8% (Al-Zirqui et al., 2016).
Damit ist es höher, als das Risiko einer VBA2C. Dieses wird in der Leitlinie des RCOG (Royal College of Obstetricians and Gynaecologists) mit 1,36% angegeben.
Es ist nicht zu verstehen, warum Kliniken ein Ruptur-Risiko von 3,8 % in Folge von Einleitungsversuchen für vertretbar halten, aber das Risiko von 1,36% im Zustand nach zwei Kaiserschnitten für zu hoch eingeschätzt wird.
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Vorherige Geburten
• Einige Mütter, die in der Vergangenheit zwei Kaiserschnitte hatten, haben vor oder zwischen den Kaiserschnitten natürliche Geburten erlebt. Hier ist die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen nochmal geringer (1).
Erfahrung
• Manche Kliniken lehnen Mütter mit dem Argument ab, keine Erfahrung in der Begleitung von Müttern nach zwei Kaiserschnitten zu haben. Ich frage mich: Kündigen sich Komplikationen nach zwei Kaiserschnitten anders an, als nach einem Kaiserschnitt? Meines Wissens nicht. Ausserdem sollten auch Mütter, die nur einen Kaiserschnitt in der Vorgeschichte hatten, während der Geburt aufmerksam im Verhältnis 1:1 begleitet werden.
Komplikationshäufigkeit
• Folgendes Rechenbeispiel zeigt uns, wie häufig in einer durchschnittlichen Klinik mit 1000 Geburten pro Jahr mit Komplikationen in Folge von einer VBA2C zu rechnen wäre:
In einer Beispielklinik, mit jährlich 1000 Geburten, liegt der Anteil Drittgebärender bei ca. 11,0%. In absoluten Zahlen sind das 110 Frauen (Destatis 2015). Davon hatten normalerweise 25 Mütter bereits zwei Kaiserschnitte in der Vorgeschichte.
Gehen wir weiter davon aus, dass jede Fünfte unter ihnen eine natürliche Geburt anstrebt, käme man in unserer Klinik mit 1000 Geburten pro Jahr auf 5 Geburten im Zustand nach zwei Kaiserschnitten.
Alle 10 Jahre eine Ruptur im Zustand nach zwei Kaiserschnitten
Legt man nun eine Rupturwahrscheinlichkeit von 2% zu Grunde, würde es alle 10 Jahre zu einer Ruptur bei einem Entbindungsversuch nach 2 Kaiserschnitten kommen. Die Rate kindlicher Todesfälle in Folge einer Uterusruptur liegt laut einer Erhebung an 19 akademischen Zentren in den USA bei 2%, bzw. 2 von 124 Rupturfällen (Landon 2004).
Für unsere Beispielklinik würde das bedeuten, dass alle 500 Jahre ein Kind an den Folgen einer Uterusruptur bei einer Mutter im Zustand nach zwei Kaiserschnitten, verstirbt. (Daniela Mayr, Diplom Ingenieurin (Techn. Mathematik) hat die Berechnungen für dieses Beispiel erstellt)
Risiken für die Mutter und das Baby erhöhen sich mit zunehmender Kaiserschnittanzahl
• Und zu guter Letzt ein Zitat: „Eine Plazentationsstörung im Zustand nach Sectio, insbesondere eine Placenta praevia in Kombination mit Placenta accreta/increta/percreta und nicht die Uterusruptur – in Bayern seit 25 Jahren kein Müttersterbefall infolge Uterusruptur! – ist die quoad vitam gefährlichste Spätkomplikation nach vorausgegangener Schnittentbindung“ (Welsch, Wischnik Lehner., 2016).
Und diese Komplikation wird mit jedem Kaiserschnitt wahrscheinlicher. Somit erhöht sich das Risiko für die Mutter, eine lebensbedrohliche Komplikation zu erleiden. Aus Angst vor einer seltenen Ruptur wird ein häufiger eintretendes Risiko für die Mutter in Kauf genommen. Nach drei Kaiserschnitten liegt es bereits bei 3%.
Literatur:
- Green_top Guideline, No 45, Birth after Previous Caesarean Birth, Royal College of Obstetricians & Gynaecologists
- Tahseen S, Griffiths M. Vaginal birth after two caesarean sections (VBAC-2)-a systematic review with meta-analysis of success rate and adverse outcomes of VBAC-2 versus VBAC-1 and repeat (third) caesarean sections. BJOG. 2010 Jan. 117(1):5-19. [Medline].
- Landon MB, Spong CY, Thom E, Hauth JC, Bloom SL, Varner MW, et al. Risk of uterine rupture with a trial of labor in women with multiple and single prior cesarean delivery. Obstet Gynecol. 2006 Jul. 108(1):12-20. [Medline].
- Macones GA, Cahill A, Pare E, et al. Obstetric outcomes in women with two prior cesarean deliveries: is vaginal birth after cesarean delivery a viable option?. Am J Obstet Gynecol. 2005 Apr. 192(4):1223-8;
- Miller DA, Diaz FG, Paul RH. Vaginal birth after cesarean: a 10-year experience. Obstet Gynecol. 1994 Aug. 84(2):255-8. [Medline].
- Caughey AB, Shipp TD, Repke JT, et al. Rate of uterine rupture during a trial of labor in women with one or two prior cesarean deliveries. Am J Obstet Gynecol. 1999 Oct. 181(4):872-6. [Medline].
- Destatis, Statistisches Bundesamt, Lebendgeborene nach der Geburtenfolge 2015
- Welsch H., Wischnik A., Lehner R. , Müttersterblichkeit.„Die Geburtshilfe“, 5. Auflage herausgegeben von Schneider H., Husslein P., Schneider KTM, Springer Medizin Verlag Heidelberg (2016)
- Landon MB, Hauth JC, Leveno KJ, et al. Maternal and perinatal outcomes associated with a trial of labor after prior cesarean delivery. N Engl J Med. 2004 Dec 16. 351(25):2581-9
- Al-Zirqi I, Daltveit AK, Forsén L, Stray-Pedersen B, Vangen S. Risk factors for complete uterine rupture. Am J Obstet Gynecol. 2016 Oct 22
- ZWANGERSCHAP EN BEVALLING NA EEN VOORGAANDE SECTIO CAESAREA, Nederlandse Vereniging voor Obstetrie en Gynaecologie, 2010
- Empfehlung Geburt nach vorausgegangenem Kaiserschnitt, Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
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